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Willkommen auf Kreta

Hallo, ich bin Anica. Ich mache seit Februar einen Freiwilligendienst in der Orthodoxen Akademie von Kreta (Ορθόδοξος Ακαδημία Κρήτης), nahe Kolymbari (Κολυμπάρι). Obwohl ich bald leider schon wieder abreise, will ich jetzt noch einen kleinen Einblick in meine Arbeit und Zeit hier gewähren.

Untergebracht bin ich in einem der Zimmer der Akademie mit Meerblick vom Balkon aus, das speziell für Angestellte und Freiwillige vorgesehen ist. Es hat ein Badezimmer und eine Spüle mit einem kleinen Kühlschrank darunter, aber keine richtige Küche und kein Wohnzimmer. Aus diesem Grund kann ich diese beiden Räume von der Wohnung meiner Mitfreiwilligen Elina mitbenutzen. Diese befindet sich in einem Gebäude neben der Akademie und ist relativ groß. Elina ist schon seit September hier, sie macht den Freiwilligendienst über eine andere Organisation (und bleibt ebenfalls bis Ende August). Neben mir wohnt Koula, die ehemalige Sekretärin, und im Neubau wohnt Stelios, der ehemalige Hausmeister. Sonst wohnt niemand direkt in der Akademie.

Da die Akademie bei mir für die Verpflegung zuständig ist, darf ich hier mitessen, wann immer es Essen gibt. Dies ist der Fall, wenn Gruppen da sind, die die verschiedenen Mahlzeiten gebucht haben. Das ist abhängig von ihrem Programm, manchmal buchen sie z.B. nur Frühstück und Mittagessen. Es ist toll, vom Buffet zu essen, und ein wahrer Luxus, den ich sicherlich vermissen werde. Die Küche der Akademie kocht traditionell kretische Gerichte. Das Essen ist sehr lecker, und es gibt immer mindestens ein vegetarisches Gericht. Gleichzeitig wird sehr viel mit Fleisch und Fisch gekocht.

Als ich Mitte Februar in der Akademie ankam, war es hier noch sehr ruhig. Besonders sonntags lag eine Stille auf dem großen Haus, die teilweise den Eindruck vermittelt, man sei fast am Ende der Welt. Und wenngleich ich im Winter irgendwann das Gefühl hatte, neben den 6 Stunden (meistens weniger) 5 Tage (ebenfalls meist weniger) die Woche kaum etwas zu tun zu haben, war es doch ein sehr ruhiger und angenehmer Beginn meiner Zeit hier, und ich hatte die Gelegenheit, zumindest zu Fuß die Gegend etwas zu erkunden. Der Weg nach Chania war aufgrund der definitiven, teils zwanzigminütigen Verspätung der Busse (von Kolymvari nach Chania (Χανιά), andersherum fuhren die Busse pünktlich), der Tatsache, dass sie nicht sehr oft fuhren, und einer Fahrtzeit von ca. 50min, ein sehr langer. Zum Glück war ich nicht ganz allein hier.

Ich bin sehr froh, dass ich, obwohl ich mich dieses Jahr als einzige auf die Stelle beworben habe, hier Elina und zwei andere Freiwillige in Chania kennengelernt habe. Mit ihnen zusammen habe ich einiges unternommen und es ist schön, sich mit Leuten vor Ort über alles austauschen zu können.

Wenn ich im Winter also nicht gerade in der Bibliothek Regale umräumte und Bücher katalogisierte, richtete ich mich in meinem Zimmer ein, sah mir das Denkmal der griechischen Gefallenen im Zweiten Weltkrieg auf dem Hügel nebenan an, lief nach Afrata (Αφράτα) (das nächste Dorf auf der Landzunge, zu Fuß etwa eine Stunde von der Akademie) oder lernte auf eigene Faust etwas Griechisch, mithilfe von Arbeitsheften aus meinem kurzen Griechischkurs in Deutschland.

Ein besonderes Erlebnis/Ereignis in meiner Anfangszeit war der Karneval. Um den in Chania zu sehen, bin ich mit dem Bus hingefahren und musste erstmal den Platz finden, wo die Feier stattfand. Mit der ungefähren Richtung habe ich es zum Glück so weit geschafft, dass ich einfach der Musik folgen konnte.

So kam ich zu einem kleinen Platz, wo es eine Band gab, deren Teilnehmer verkleidet waren, wie auch die Leute, die sich um sie versammelt hatten. Irgendwann fingen einige an, in einem großen Kreis zu tanzen. Ich bin nach einiger Zeit wieder gegangen, da für mich Chania an sich noch ein neues Erlebnis war, und ich weder in Begleitung noch verkleidet war. Trotzdem war es ein sehr schönes Erlebnis. Es wurde allerdings übertroffen von dem Karneval in Rethymno (Ρέθυμνο), den ich mit Thora, Flora, Elina und ihren Eltern besuchte. Es gab viele verschiedene beeindruckende Wagen mit großen Figuren und teilweise griechischer Musik. Es war ein aufregender Tag, da wir uns nicht nur einen Teil der Parade ansahen, sondern auch eine kleine Katze mit einer Verletzung am Bein fanden, die wir zum Glück an eine zufällig passierende Hundebesitzerin vermitteln konnten. Allerdings wurde Flora gebissen, als sie die Katze in einen Karton hob, weshalb an dem Tag auch ein kurzer Besuch in der Klinik notwendig war. (Es war zum Glück nicht allzu schlimm, Flora geht es gut!)

Mittlerweile besuchen Elina und ich ab und zu einen Tanzkurs (eigentlich sind das nur unsere Tanzlehrerin und wir) zu kretischem Tanz. Die Schritte scheinen zwar relativ verständlich und einfach, wenn die Musik dann allerdings schneller wird und man im Rhythmus bleiben muss, sind gerade Drehungen eine Herausforderung. Besonders am Anfang fand ich es sehr anstrengend, auf dem vorderen Teil des Fußes zu tanzen, mit der Zeit habe ich mich aber etwas daran gewöhnt.  

Kreta hat unglaublich viel zu bieten, kulturell und die Natur betreffend. Die verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Insel habe ich in unterschiedlichen Rahmen besucht. Besonders die historisch bedeutenden Stätten habe ich mir mit Seminargruppen aus der Akademie angesehen. Mit einer deutschen Gruppe, die sich mit dem Gedenken des Zweiten Weltkrieges und dessen Aufarbeitung auseinandergesetzt hat (eine Bildungsreise, die aufgrund von Missverständnissen teilweise unter großer Kritik der lokalen Bevölkerung stand), besuchte ich unter anderem den Soldatenfriedhof in der Souda (Σούδα) Bucht, den in Maleme (Μάλεμε), vier der kretischen Märtyerdörfer (Kakopetros (Κακόπετρος), Floria (Φλώρια), Kandanos (Κάνδανος) und Kondomari (Κοντομαρί)), das 42nd Street Memorial, und die Synagoge in Chania.

Darüber hinaus begleitete Gruppen der Akademie auch zur antiken Stadt Polyrrhenia (Πολυρρήνια), nach Balos (Μπάλος), dem alten Olivenbaum von Vouves (Βούβες), dem archäologischen Museum von Chania, der Kirche Rotonda (Ροτόντα) und weiteren Orten. Als Freiwillige ist es für mich eine großartige Gelegenheit, dass ich mit Gruppen, die in der Akademie zu Gast sind, Teile der Insel erkunden und die Kultur erfahren kann. In der Akademie gibt es bei den meisten Tagungen einen kretischen Abend, dabei wird kretischer Tanz präsentiert, es gibt Musik, und gegen Ende werden die Gäste aufgefordert, mitzutanzen. Außerdem gibt es kleine Desserts mit Obst oder Pudding und Wasser, Wein und Raki.

Als meine Mutter mich für 2 Wochen besuchte, haben wir uns auch einiges von der Insel angesehen. Da meine Mutter sich einen Wagen mieten konnte, hatten wir eigentlich unbegrenzte Möglichkeiten. Wie besuchten Aptera (Άπτερα), den Kournas-See (Λίμνη Κουρνά), Plakias (Πλακιάς), den Palmenstrand von Preveli (Πρέβελη), Elafonissi (Ελαφονήσι), das Kloster Guwernetu (Γουβερνέτου) und mehr. Teilweise fuhren wir los, ohne zu wissen, wo wir die Nacht unterkommen würden. Dabei haben wir Orte gesehen, die ohne Auto von Kolymvari aus schwer zu erreichen wären.

Einige Orte habe ich auch gemeinsam mit den anderen Freiwilligen besucht. Zum Beispiel machten wir einen Ausflug nach Falasarna (Φαλάσαρνα) (dort soll ein Hotel gebaut werden, es gibt eine Petition dagegen und eine Website mit näheren Informationen, außerdem sind sie auf Facebook zu finden, falls ihr mehr darüber wissen wollt). Außerdem haben wir gemeinsam Paleochora (Παλαιοχώρα) besucht und sind durch die Samaria (Σαμαριά) Schlucht gelaufen. Es war sehr anstrengend, allerdings war ich anfangs etwas zu besorgt, gut vorbereitet zu sein, doch wir waren besser vorbereitet als einige andere und es war keine Herkulesaufgabe. Es war ein schönes Erlebnis, besonders weil der zweite Teil des Weges auch den typischen Bildern entsprach. Allerdings war es auch deutlich kälter als in Chania, weshalb wir, als wir beim Eingang zur Schlucht aus dem Bus stiegen (gegen 6 Uhr, Anfang Juni), erstmal einen kleinen Schock bekamen. Zum Glück konnten wir uns kurz darauf in ein Café/Giftshop (augenscheinlich das einzige in der näheren Umgebung) flüchten, während wir auf die Öffnung der Schlucht warteten (7 Uhr). Dann wurde es bald wärmer. Nach der Wanderung konnten wir sogar noch in Agia Roumeli (Αγία Ρουμέλη) schwimmen gehen.

Ebenfalls einen Besuch wert ist das Kloster neben der Akademie. Die Akademie steht auf Gelände, das für 99 Jahre von diesem Kloster gepachtet ist. Das Kloster selbst hat ein Ikonenmuseum und Besuchszeiten, zu denen man es besichtigen kann. Dort findet jeden Sonntag ein Gottesdienst statt, und selbstverständlich auch Gottesdienste zu Feiertagen. Den Ostergottesdienst habe ich besucht. An Karfreitag gab es den ersten Gottesdienst und eine Prozession. Meine Mutter und ich kamen Karfreitag erst in der Akademie an, weshalb ich leider zu spät da war, um mit Elina und Thora beim Schmücken des Epitaphios mit Blumen für die abendliche Prozession zu helfen.

Nachdem sie damit fertig waren, sind wir zu fünft zum großen Karfreitagsmarkt in Voukolies (Βουκολιές) gefahren. Es ist der größte in der Gegend und es war brechend voll. Sogar einige bedeutende griechische Politiker waren zugegen, allerdings habe ich sie in der Menschenmenge leider nicht erkannt oder gesehen. Dennoch war es ein sehr schöner Ausflug, wir haben uns auch in der örtlichen Kirche den dortigen Epitaphios angesehen und zum Schluss teilten wir uns zwei Portionen Loukoumades.  

Abends war dann der Gottesdienst, in der Klosterkirche und im Hof waren viele Menschen versammelt, wir haben Kerzen angezündet und wurden mit Weihwasser bespritzt. Danach begann die Prozession. Mit dem Epitaphios im mit Blumen geschmücktem symbolischen Grab lief die ganze Menschenmenge zur Akademie hinüber und wieder zurück.

Am nächsten Tag, dem Ostersamstag, gingen wir zum mitternächtlichen Gottesdienst. Wieder wurden Kerzen angezündet und um 0 Uhr wurden die Glocken geläutet und „Χριστος ανεστη“ (Christus ist auferstanden) gesungen.

Am Ostersonntag schließlich gab es nachmittags noch eine kurze Zeremonie. Dabei wurde u.a. die Erzählung von der Auferstehung Christi in verschiedenen Sprachen (Altgriechisch, Latein, Englisch, Italienisch, Russisch und Neugriechisch) vorgelesen und es wurde ein Blätter-und-Blumen-Gemisch auf die Menge geworfen. Danach gab es einen Empfang mit süßen Stückchen, an dem u.a. Priester mit ihren Familien und der Bischof der Diözese von Kissamos und Selinon teilnahm.

Mittlerweile sind Elina und ich bei der Arbeit vor allem an der Rezeption beschäftigt. Seit Mai ist an der Rezeption vormittags fest jemand angestellt, nur sonntags müssen wir noch den ganzen Tag unter uns aufteilen. Im Juni war eine Praktikantin aus Frankreich hier, die zwar auch in der Bibliothek und in anderen Bereichen tätig war, aber auch oft an der Rezeption geholfen hat. Leider musste sie mittlerweile schon wieder abreisen. Nun ist Clara da, sie kommt auch aus Deutschland und hat hier schon in den letzten zwei Jahren einige Monate verbracht. Ursprünglich sollte sie auch über die Diakonie einen mehrmonatigen Freiwilligendienst machen, dieser fiel allerdings aufgrund von Corona aus. Auch Malena, Elinas Vorgängerin, ist seit mehr als einer Woche hier. Mittlerweile haben wir also mehr Freizeit und Unterstützung an der Rezeption. Wenn eine Tagung ansteht, besonders eine große, kann es schon mal hektischer werden. Alles muss vorbereitet werden, die Zimmer müssen nach der vorherigen Gruppe gereinigt sein, und wir Freiwillige müssen eventuell Namenschilder vorbereiten und den Überblick über die Ankünfte behalten. Manchmal bekommen wir Ankunftszeiten und sind auf große Gruppen vorbereitet, weshalb wir zu zweit oder zu dritt an der Rezeption sind, manchmal haben wir jedoch auch keine oder nur wenige Infos. Eigentlich versuchen wir es so zu koordinieren, dass wir bei vielen Ankünften auf einmal auf keinen Fall allein hinter der Rezeption sind. Doch bei der ersten größeren Tagung seit meiner Ankunft kam es dazu, dass um die 20 Leute auf einmal ankamen und ich als einzige hinter der Rezeption alle Namen heraussuchen, ihnen die Schlüssel aushändigen, sie auf WLAN, den Ort des Speisesaales und ihres Raumes, sowie auf die Essenszeiten hinweisen und sie eventuell zum anderen Gebäude begleiten musste. Es war eine sehr stressige, aber auch lehrreiche Erfahrung, und zu dieser Zeit hatte ich noch viel von dem anfänglichen Enthusiasmus, mit dem ich mich an die Arbeit machte. (Nicht, dass ich jetzt die Arbeit nicht mehr zu schätzen weiß, ich bin definitiv etwas ernüchterter als am Anfang, aber es ist weiterhin sehr schön, an der Rezeption so vielen Leuten zu begegnen und ihnen behilflich zu sein.)

Hier zu sein ist eine tolle Erfahrung. Mittlerweile hat die Touristensaison begonnen und es ist viel voller. Im Winter konnte man durch Kolymvari laufen und zu manchen Uhrzeiten keiner Menschenseele begegnen. Nun vermisse ich manchmal die Stille ein bisschen, und genieße solche Tage, an denen weder Gäste noch Mitarbeiter da sind und die Akademie ganz still da liegt. Da mein Zimmer direkt in der Akademie liegt, spüre ich den Unterschied besonders. Sonst höre ich oftmals am Tag jemandem draußen im Flur, die Türglocke, Gäste im Raum über mir oder Koula nebenan. Dafür ist es wundervoll, an diesem schönen Ort zu leben, den viele Leute als ihr Urlaubsziel auswählen.

Anfangs hatte ich auch einige Hürden zu überwinden, zum Beispiel hatte ich mir den Knöchel verstaucht. Zum Glück wurde gut für mich gesorgt, Katerina ist mit mir in die Klinik zum Röntgen gefahren und mit einem Verband und dem Auftrag, den Fuß zu schonen, hatte sich die Sache erledigt. Es war etwas frustrierend, dass es mir ausgerechnet auf dem Weg zum Strand passierte, als ich das erste Mal schwimmen gehen wollte, aber dafür bin ich auf Kreta das erste Mal an einem anderen sehr schönen Strand an der Südküste ins Wasser.

Manchmal haben wir auch Gottesdienste in der Akademie. Im Altbau befindet sich eine kleine Kapelle zu Ehren der Heiligen Cyrillos und Methodius. Darüber hinaus befindet sich auf dem Landschaftsgärtnerweg eine kleine Kapelle zu Ehren von Abba Makarios.

Zum Ausbau des Weges werden Natursteine aus der Umgebung verwendet und grandiose Mosaike gelegt. Außerdem gibt es einen Pavillon, einen Brunnen, eine Sonnenuhr und vieles mehr. Wer den Weg im Sommer gehen will, sollte allerdings gute Nerven haben; mittlerweile schwirrt, schnattert und knistert es in den Gebüschen um den Weg, wenn man sie passiert, und manchmal fliegen plötzlich Scharen sehr großer Insekten aus den Gebüschen um die Köpfe der Spaziergänger.

Hier noch ein paar Bilder: