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Mit Flipflops über Grenzen gehen – Sommerschulferien im neuen Jahr

                                                                       01.01.2023 - 04.03.2023 
Hella

Block 6

Sommerschulferien – Was bedeutet das? Teilt man das Wort in drei Teile so erhält man Sommer, Schul(e) und Ferien. Warum ich dieses Wort zusammengesetzt habe? Naja – es beschreibt die Monate Januar und Februar sehr gut. Sommer war gegeben – ich glaube da würde mir bei den Temperaturen niemand wiedersprechen – und auch wenn es sich widerspricht gehen Schule und Ferien in diesem Sommer Hand in Hand, sowohl bei den Kindern als auch bei uns Freiwilligen.

Rio

Silvester – fangen wir mal von vorne an: In diesem Fall bei unserem Einstieg ins Neue Jahr und dem ersten Punkt den ich sowohl dem “Sommer” aus auch den “Ferien” zuordnen würde. Nachdem wir Weihnachten als Wg gefeiert haben, hatten wir zwei Wochen frei, denn sowohl in Santo Toribio als auch Puente wurden die Weihnachtsferien eingeläutet. Und schon in dem Moment, als uns dies verkündet wurde, haben sich die Schnallen unserer schwer bepackten Rucksacke geschlossen und wir waren bereit für ein neues Abendteuer – man muss die Zeit ja nutzen ;). Allerdings bereitete uns die Suche nach unserem Ziel für die zwei Wochen etwas Probleme. Versteht mich nicht falsch, unsere Bucketlist ist lang genug, allerdings war zu der Zeit um Weihnachten, die Politische Lage in Peru sehr heikel und durch Demonstrationen viele Städte schwierig zu bereisen.

Politische Lage: Auslöser für die Unruhen war die Absetzung des Präsidenten Pedro Castillo. Für viele Bewohner ländlicher Regionen galt der linksgerichtete Ex-Präsident als jemand der vielleicht endlich etwas in Peru verändern könnte, denn seit Jahren kann Peru weder wirtschaftlich noch politisch irgendwelche großen Fortschritte vorweisen und die Menschen sind frustriert. Nachdem es in den letzten Monaten vor seiner Amtsenthebung viele Korruptionsvorwürfe gegeben hatte, versuchte er das Parlament aufzulösen, woraufhin er abgesetzt wurde. Die neu eigesetzte Präsidentin Dina Boluarte, wird von den Demonstranten abgelehnt, obwohl sie derselben Partei entstammt, da sie nicht wie Castillo ländlich aufgewachsen ist. Die Demonstranten fordern nun den Rücktritt der Präsidentin, die Freilassung von Castillo, der in Untersuchungshaft sitzt und sofortige Neuwahlen. Während es in Städten des Südens wie Lima, Cusco oder Arequipa zu starken Ausschreitungen kam, war es bei uns in Trujillo während der ganzen Zeit sehr ruhig. (Zusammenfassung: Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/peru-aufstand-indigene-konflikt-gewalt-100.html
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/peru-krise-101.html)
Affen Iquitos

Nach einiger Überlegung sind wir am zweiten Weihnachtstag in den Flieger nach Iquitos gestiegen. Iquitos ist eine Stadt im Dschungel, die ausschließlich durchs fliegen oder eine mehrtägige Bootfahrt erreichbar ist. In dieser Blase mitten im Grünen, haben wir von der Außenwelt wenig mitbekommen, besonders nachdem wir die Stadt verlassen hatten um tiefer in den Dschungel zu gehen. Zuerst waren wir jedoch ein paar Tage in Iquitos selbst, denn die Stadt bietet schon eine wunderschöne Atmosphäre. Viele antike Gebäude aus der Zeit des Kautschukbooms bestechen mit bemalten Fliesen. Im Kontrast dazu steht die schwimmenden Hütten von Belén bajo, denn zur Regenzeit überspülen die Arme des Amazonas das Ufer, weshalb die Bewohner ihre Häuser, die nahe am Fluss gebaut und damit nicht von der Promenade geschützt werden, auf Stelzen gebaut haben. Wirklich beeindruckend, wenn man dort mit dem Boot den Fluss entlang fährt, auch wenn bei uns der Fluss noch nicht stark gestiegen war. Während der Zeit in Iquitos haben wir uns dann nochmal mit der Schulfreundin von Shawn getroffen, die wir schon aus Lima kannten, denn sie hatte ihren Freiwilligendienst gewechselt und war nun in einem Tierpark gelandet, bei dem sie half verletzte Tiere zu pflegen. Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, diesen zu besuchen und haben so viel über besondere Tier- und Pflanzenarten des Dschungels gelernt (apropos Schule…;)). Außerdem haben wir uns bei einer Tour über den Mercardo Belén über die heilende Wirksamkeit einiger Kräutermischungen aufklären lassen und die seltsamsten Früchte probiert. Darunter eine die aussah wie ein Drachenei und die, die Peruaner sehr gerne mit Salz essen. Am besten hat mir allerdings die Kochbanane vom Grill geschmeckt. Vielleicht war auch die Art des Servierens, ein Auslöser davon, denn die Frau, die sie uns zubereitet hat, hat sich sehr gefreut uns mehr über die Küche des Dschungels zu erzählen und hat uns die Banane anstatt auf Tellern auf Blättern mitgegeben. Am besten hat mir aber, in der Zeit in Iquitos selbst, unser Ausflug zur Mariposario gefallen. Mit einem Boot sind wir überm Fluss hin zu der Schmetterlingsfarm gefahren und haben dort, wunderschöne Schmetterlinge verschiedener Arten und Farben sehen dürfen und haben die Transformation hin zum Schmetterling genaustens erklärt bekommen. Auf dem Rückweg sind wir dann passend zum Sonnenuntergang über den Fluss gefahren und man hat nicht außer das Grün am Ufer gesehen und den Motor vom Boot gehört. Dort war mir klar, dass ich unbedingt ein paar Tage mit dieser Ruhe der Natur entfernt von der Stadt, mitten im Dschungel verbringen möchte.

Dschungellandschaft

Nachdem wir also den Jahreswechsel, mit Shawns Schulfreundin und weiteren Freiwilligen, erst im Restaurante und dann auf dem Plaza de Armas mit bunten Farben und Raketen bis in die Nacht rein gefeiert haben (wobei es etwas komisch war, denn in Deutschland war ja schon 6 Stunden früher neues Jahr, sodass ich im Jahr 2022 schon Glückwunsche für 2023 bekommen habe), wurden wir dann am 02.01 morgens abgeholt und direkt in die “Wildness” gebracht.

Mit einem Boot sind wir zwei Stunden über einen Fluss durch den Dschungel gefahren um zu einer Loudge zu gelangen, die für zwei Nächte unser Zuhause werden sollte. Unser Abendteuer fern ab jeglicher Zivilisation hat dann mit einer Bootsfahrt begonnen. Ich muss sagen davon konnte ich nicht genug bekommen. Die buten Farben des Dschungels und die Spiegelung der Sonne auf der Wasseroberfläche waren einfach magisch – je vielleicht habt ihr es schon bemerkt, aber das war wirklich eine meiner schönsten Reisen meines bisherigen Leben (gut ich weiẞ, dass das bei mir nicht so mega viel aussagt, da ich erst 19 bin, aber trotzdem eine groẞe Empfehlung meinerseits). An dem Nachmittag haben wir versucht ein paar der pinken Flussdelfine zu sehen, leider musste ich mich mit zwei kurzen Sichtungen begnügen. Aber das folgende Bad im Fluss, bei Sonnenuntergang hat das enschädigt. Nach dem Abendbrot folgte dann noch eine Nachtwanderung durch den Dschungel, bei der wir verschiedene Tiere wie lange Schlangen, mehere Spinnenarten, Käfer aller Art, Frösche – unteranderem ein seltender Glücksfrosch – und Affen gesehen haben und vorallem die Geräsche des Dschungels gehört haben. Unser Guite hat uns viel über die Tiere des Dschungels erzählen können und konnte anhand der Geräusche Tiere zuordnen. Auch in den folgenden Tagen haben wir die verschiedensten Tiere endeckt: verschiedene Affenarten – eine die sogar so zutaulich war, dass sie unser Essen geklaut haben, Fische, Vögel – darunter auch Papageien, ein Leguan, mehere Schnetterlinge und Insekten, Schlangen, Kalmare, eine Schildkröte und als krönenden Abschluss, vor unserer Abreise noch ein Faultier oben im Baum. Schade war nur, dass unser Campingtrip, durch ein Unwetter wörtwörtlich ins Wasser gefallen ist – ich habe noch nie so dunkle lichtverschluckende Wolken gesehen – aber wir haben uns dann entschieden vor der Loudge zu Campen um trotzdem unter Sternenhimmel zu schlafen, nachdem er aufgehört hatte zu regenen. Am nächsten Tag haben wir trotzdem noch gerlernt wie man ein Lagerfeuer machen kann und haben Bananen gebraten, die wir an einem Baum gefunden haben.

Mariposario

Kommen wir als nächstes zum Punkt: Schule. Zwar befinden wir uns im Monat Januar, aber in Peru ist das die Zeit der Sommerferien, die in Peru ca. 9 Wochen gehen. Das hieẞ aber für uns nach unserer Rückkehr nicht unbedingt weniger Arbeit. Zwar war Santo Toribio in der Sommerpause, aber bei Puente begann, dass Ferienprogramm, was bedeutete, dass wir vier Mal in der Woche bei Puente waren. Die Puentesamstage, liefen wie gewohnt weiter, aber unter der Woche gab es für uns neues Programm. Neben weiteren Englischkursen, haben wir zudem Marinera, Basketball, Gymnasik, Tischtennis, Volleyball, Communicación und Kunst unterrichtet, in verschiedenen Alterstufen von 5 bis 16 Jahren, aber mit ingesamt weniger Kindern als Samstags. Isabell und ich haben sowohl mit den Kleinen 5-7 jährigen Kindern, die Grundschritte des Marinras geübt und den Groẞen eine Choreo begebracht, als auch Skulpturen aus Salzteig geformt oder die Technik der richtig schattierens beigebracht. Shawn hat mit den Kindern in verschiedensten Sportarten ausgepowert, während Caro mit den Kinder Handstände und Räder geübt und die neue Tischtennisplatte eingeweit hat. Und natürlich hat jeder 1-2 Kurse bekommen bei denen er Englischunterricht geben sollte, was eine Umstellung war, da es teilweise andere Schüler als Samstag waren. Es war sehr viel Arbeit, weil hinter allem auch sehr viel Vorbereitung steckte, aber trotzdem war es auch eine sehr lustige Zeit und wir sind mit den Kinder noch viel enger zusammengewachsen. Vorallem habe ich aber viel über mich und meine Art zu arrbeiten gelernt und habe versucht den Kindern trotz des Unterrichts wundervolle Ferienmomente zu verschaffen.

erste Kokosnuss

Sommer. Wie es sich für richtige Sommerferien gehört stieg auch die Temperatur immer weiter an und es wurde ungewöhnlich warm in Trujillo und da wir es nicht besser wussten haben wir uns dazu entschieden in ein noch wärmers Land zu der Zeit zu fliegen um Karneval zu feiern. Willkommen in Rio!

Diese Reise ist aus einem Spruch bei unserem Vorbereitungsseminar entstanden. Irgendein Erdkundeprofi hat damals festgestellt, dass alle Projekte in Lateinamerika gar nicht so weit entfernt von Brasilien liegen, woraufhin jemand meinte, dass wir uns doch alle zu Karneval in Rio treffen könnten. Naja meine Wg hat das wohl etwas zu Ernst genommen und trotz dessen, dass die anderen Freiwilligen nicht mitkommen konnten im September angefangen alle Vorbereitungen zu treffen um die Stadt des Karnevals zu besuchen. Rio ist wundervoll – zugegeben meine Liebe zu Iquitos übertrifft Rio nicht ganz, aber nah dran. Besonders beeindruckt hat mich das Leben der Stadt. Überall waren Menschen unterwegs (klar es war Karneval), haben Sovenirs verkauft, in Bars gelacht und geredet, sich gegenseitig an den Händen durch die Straẞen gezogen, ihr Taxi durch die überfüllten Straẞen manövrieren, zu ihren Lieblingssongs getanzt, Wanderungen auf die Berge drumherum unternommen, Schräge Kostüme anprobiert und noch schrägere verkauft und Bilder der schönsten Momente per Whatsapp mit den Liebsten zuhause geteilt – und in all dem Trubel waren wir mittendrin. All das hat schon begonnen bevor überhaupt die eigendlichen Festlichkeiten gestartet haben. Schon vor dem Karneval Beginn waren die Strände von Copacabana und Impanema völlig bedeckt von bunten Handtücher und Sonnenschirmen von Einheimischen und Touristen. Die ersten Tage haben wir trotzdem genutzt um vom Meeraus die Skyline von Rio zu betrachten, uns bräunen zu lassen, mit der Jesusstatur hoch oben ein Selfi zu machen, durch ein Dschungelstück zum Zuckerhut (ein Berg) hochzulaufen und zu bewundern wir die Lichter der Stadt bei Dämmerung zwischen den dunklen Bergen aussehen wie silberne Farbkleckse – noch spektakulärer mit der Gewitterfront und den Blitzen dahinter. Ja auch brasilianischen Platzregen haben wir miterlebet. Mit Karnevalsbeginn haben wir dann aber natürlich auch die Blocos (Straẞenpartys mit Trommelmusik) und Bandas (Straẞenpartys mit Trometenmusik) besucht, Samba getanzt (oder es zumindest versucht), Glitzer auf unserer Haut verteilt, viele neue Menschen kennengelernt und uns durch die Straẞen von Rio treiben lassen.

Karneval

Aber das absolute Highlight – was wir natürlich nicht missen konnten – der Sambadrome. Schon mit Beginn unserer Reiseplanung haben wir Tickets für die Eröffnungsnacht des Karnevals gekauft und meiner Meinung nach war es das wert. Der Sambadrome ist eine riesige Arena mit langer Straẞe in der Mitte zu dessen Seiten riesige Tribünen aufgebaut sind, von denen man das ganze Geschehen überblicken kann. Im Laufe einer Nacht (von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens) ziehen in den drei Nächten jeweils 7 Sambaschulen durch die Arena und Präsentieren ihre besten Sambaschüler, Kostüme und riesige dekorierte Umzugswägen, die mit Menschenhand angeschoben werden. Jede Sambaschule hat ein Lied zu dem sie tanzen und singen, ein Thema welches hinter ihren aufwendigen Kostümen steckt und eine Farbe, die sie als Sambaschule auzeichnet. So haben wir eine Sambaschule gesehen, die Marvel und Disney als Thema hatte, eine deren Tänzer und Wägen zum Thema Kultur und Länder verkleidet waren und eine die Himmel und Hölle dargestellt haben. Hunderte von Tänzern laufen bei einem Umzugen mit oder winken von den Wägen und jede Sambaschule versucht durch besondere choreos, Sambaschritte oder special Effekts, wie Rauch spuckende Wägen oder Konfettibomben besonders herrauszustechen. Denn neben der Show für die Zuschauer, ist es auch ein Wettbewerb um die beste Sambaschule jedes Jahr zu kürren. Es war eine mega Erfahrung und vielleicht komme ich einmal wieder und laufe selbst bei einer Sambaschule mit, denn auch als Tourist darf man teilnehmen.

Rio

Leider gehen Ferien irgendwann auch wieder vorbei und bei meinen Sommerschulferien bedeutete das, dass auch ich noch ein bisschen zu Schule zum Ende machen musste. Von Rio aus ging es nämlich für uns direkt nach Lima zum Zwischenseminar. Zum meinem Freiwilligendienst gehören mehrere Seminarblöcke – einer davor, einer in der Hälfte und einer danach. Zuerst war ich unsicher ob es nicht etwas komisch sein wird eine Woche nur mit Deutschen in Peru zu verbringen auf einem Gelände völlig abgeschieden von der Welt. Aber im Nachhinein kann ich sage, dass all diese wundervollenen Menschen mich wahnsinnig unterstützt haben und mir geholfen haben mich selbst wieder mehr wahrzunehmen. In dieser Woche hatte ich Zeit über das letzte halbe Jahr zu reflektieren, Situtionen aufzuarbeiten und auch manches loszulassen. Trotzdessen ich hier viel erlebe, worüber ich unfassbar dankbar bin und das ich nie wieder vergessen werde, gehört es zu einem solchem Jahr auch mit Problemen zu kämpfen und auch zu lernen nach Hilfe zu fragen – dafür war das Seminar der beste Ort. Und neben der Aufarbeitung der vergangenden Monate und verschiedenen Themen, mit denen wir Konfroniert wurden und in Zukunft werden (wie Umgang mit Armut und die Aussicht in ein paar Monaten wieder nach Deutschland zurück zukehren), habe ich ganz viele Gespräche geführt, gehört was andere Freiwillige erlebt haben, habe Freundschaften geküpft, am Lagerfeuer Lieder gesungen und haushoch bei Poolball verloren.

Silberne Berge Rio

Und so schnell der Sommer kommt, so schnell geht er auch wieder vorbei und damit meine ich nicht nur den sturzflutartigen Regen, der ganz Trujillo komplett unter Wasser gesetzt hat, sondern auch das zurückkehren in der Alltag, allerdings als etwas veränderte Personen als vor dem Sommer. Mit Fipflops über Grenzen gehen – ich bin über Grenzen von verschiedenen Ländern und Orte gegangen und habe neue Bekanntschaften geknüpft. Ich habe meinen Horizont erweitert und Neues ausprobiert, sowohl im Unterricht, als auch mich selbst betreffend. Ich habe meine Grenzen für andere geöffnet und bin dabei über meine eigenen Grenzen herrausgewachsen. Jetzt kann ich sagen, dass ich wahnsinnig stolz auf mich bin und ich mich sehr auch das (fast) halbe Jahr freue, dass jetzt noch vor mir liegt, denn dieser Sommer war für mich so viel mehr als nur Schule und Ferien.

Saludos desde Peru

Hella