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HoHoHo es Weihnachtet sehr – Kulturelle Unterschiede der Navidad

Hella
                                                                         01.11.2023-24.12.2023

Blog 5

Das Klischee von dem perfekten Weihnachten: Ein Häuschen aus dem Rauch aufsteigt, den draußen fallen sanft die Flocken, die Familie sitzt zusammen unterm elegant geschmückten Weihnachtsbaum und packt Geschenke aus, nachdem vorher schon der Besuch in der Kirche anstand, während Zuhause die Weihnachtsgans im Ofen schmorrte und über den Dächern fliegt Santa mit den Rentieren. Ich unterstelle mal, dass so oder so ähnlich Weihnachten in sehr vielen deutschen Haushalten aussieht – natürlich etwas weniger überspitzt und abgesehen von Santas Besuch. Aber was ist mit Peru? Mal ehrlich – Schneeflocken im Hochsommer und ein Weihnachtsbaum, obwohl es keine Tannen gibt?

Weihnachten in Lima

Angefangen hat diese Dokumentation meiner Weihnachtszeit in Peru schon Anfang November. Isabell und ich sind vom Tanzen durch das große Puente Eingangstor gelaufen, vorbei an dem Haus unser Nachbarn, denen wir kurz zugewunken haben durch die offene Tür, hin zum Weg hinterm Haus… Stopp moment mal! Was? Ein engeisteter Seitenblick und tatsächlich! Ein komplett fertig geschmückter Weihnachtsbaum ist durch die Tür unserer Nachbarn zu erkennen. Riesige Kugeln, Lametta, schleifen und glitzernde Sterne, sodass nur an einigen Stellen noch das grün hindurchblitzt. Zwei Tage später dann – wir schreiben den 04. November 2022 – sind wir mal wieder mit Nena unterwegs, um den freitäglichen Wocheneinkauf abzuarbeiten, als das große Auto mit der Aufschrift Puente Santa Rosa, vor einem riesigen Dekogeschäft hält und die drei Insassen – Isabell, Nena, Hella – aussteigen und sich mit einem Schritt über die Türschwelle im Weihnachtswonderland wiederfinden. Tannenbäume in jeglichen Größen und Formen reihen sich dort aneinander. Vierter November höchste Zeit einen neuen Weihnachtsbaum zu kaufen – aber wie funktioniert das in einem Land, in dem es keine Tannenbäume gibt und wie halten die ganze drei Monate? Plastik macht es möglich…

Kekse backen bei Puente

In Peru – und hierbei spreche ich von dem kulturellen Umfeld, dass ich mitbekommen habe, den mit Sicherheit gibt es Teile in Peru, in denen anders oder gar nicht Weihnachten gefeiert wird – sind zur Weihnachtszeit in Läden, auf großen Plätzen und in Privathäusern große Tannen aufgestellt, die man einfach zusammenstecken kann. Wir haben uns darüber sehr gewundert, aber wie in vielen Bereichen der Welt haben auch in Peru Traditionen anderer Länder durch die Globalisierung und Rückstände der Kolonialzeit Anklang gefunden, sodass in Peru viele Dinge sehr europäisch gehandhabt werden. Nena hat in einer Dokumentation über Puente gesagt, dies hinge leider oft damit zusammen, dass die Peruaner sich nicht so stark mit ihrer eigenen Kultur identifizierten, sondern einem Leben in einem wohlhabenderen Land nachstrebten. Tatsächlich ist es so, dass auch in Gesprächen mit Peruanern vor Ort oft herauskommt, dass sich viele wünschen später nach Europa oder die USA zu ziehen. Deshalb versucht unser Organisation, Puente, die Kinder dahingehend auszubilden, dass sie später gute Jobs bekommen, mit denen sie ihrem eigenen Land den Rücken stärken können. Außerdem hängt es vermutlich auch mit der kulturellen Vergangenheit von Peru zusammen, denn durch die Besetzung Spaniens, hat die weitere Geschichte Perus beeinflusst.

W. Wichtel Weihnachten

Neben den Weihnachtsbäumen habe ich noch einen weiteren Punkt oben angeschnitten – Schnee. Scheinheilig – wie ich nun mal manchmal bin – habe ich am 02. Dezember meinen Papa am Telefon erzählt, dass er hier momentan 26 Grad hat und Peru zwar einige ähnliche Traditionen zur Weihnachtszeit pflegt wie Deutschland, aber Schnee nun wirklich keine Rolle spiele. Zwei Tage später habe ich mich dann im Top mit Schweißperlen auf der Stirn bei Santo Toribio (der Schule, in der ich auch arbeite) wiedergefunden und Schneeflocken als Deko für die Fensterscheibe ausgeschnitten. Ich finde, dass diese Gegebenheit noch deutlicher zeigt, wie viele Weihnachtstraditionen nicht ursprünglich peruanisch sind, denn nur sehr wenige Peruaner haben in ihrem Leben schon mal Schnee gesehen. Und wenn, dann bestimmt nicht zur Weihnachtszeit, denn hier ist jetzt Sommer. Und das hier Schnee fällt ist wirklich unwahrscheinlich. Um Schnee in Peru zu sehen, müsste man wohl schon eine Wanderung in den Anden auf sich nehmen und würde vermutlich trotzdem eher Eis als Pulverschnee vorfinden. Dessen unbeachtet sind den Peruaner diese Traditionen sehr wichtig und sie legen sehr viel Liebe in die Vorbereitung für Weihnachten, weshalb weiße Schneeflocken nun meine Klasse zieren.

Dekorationsgeschäft

Aber was ist denn nun eigendlich Weihnachten in Peru? Dadurch, dass wir unser Weihnachtsfest als WG verbracht haben kann ich dazu gar nicht so viel sagen, aber ich werde etwas von der Vorbereitung auf Weihnachten bei meinen zwei Arbeitsstellen erzählen.

Weihnachten ist Dekoration… Die Wortkreation Weihnachtswonderland trifft den Nagel auf den Kopf, denn in Peru wird viel dekoriert. Zwar wird das – zumindest in Santo Toribio – zu jedem Fest gemacht, aber ich habe noch nie so viel Deko gebastelt wie in dieser Zeit. Mit viel Liebe zum Detail wurden sowohl in Santo Toribio als auch Puente alles weihnachtlich hergerichtet, wobei sogar vor für mich ungewöhnlichen Farben nicht Halt gemacht wurden, denn es wurden nicht nur die klassischen Weihnachtstöne verwendet, sondern auch viel blau und lila und sehr buntes Geschenkpapier. Außerdem war viel Glitzer und Schleifen im Spiel. Was für meinen Geschmack schon etwas kitschig war, durfte es für viele Peruaner noch etwas pompöser sein. Trotzdem habe ich diese Leidenschaft bewundert. Gerade die Krippen haben mich begeistert. Wir haben sehr viele Krippen mit Porzellanfiguren in unterarmgröße gesehen. Oftmals waren auch die Krippen-Ställe mehrstöckige Häuser und es waren nicht nur Ochse und Esel im Stall, sondern jegliche Tierarten. So nahmen auch Elefant und Ente an Weihnachten teil. Besonders toll war die Dekoration der Krippe in der Kirche, denn hier gab es noch zusätzlich einen kleinen Wasserfallspringbrunnen und sehr viele kleine Lichter, die in allen Farben geglitzert haben. Alles war genauso gestaltet, wie es der Person die es Gestaltet hat gefällt und war dadurch vielfältiger und individueller, als ich es aus Deutschland gewohnt bin.

Deko basteln

Weihnachten ist Glaube… Da Peru ein sehr christliches Land ist, spielt der Glaube natürlich eine besondere Rolle. Möglichweise auch der Grund, weshalb so viel Wert und Liebe auf Dekoration gelegt wird. Zu der Zeit sind mir viele Werbeplakate aufgefallen die den Glauben und die Kirche bewerben. Außerdem wird sehr viel gebetet und daran erinnert, weshalb aus christlicher Sicht Weihnachten gefeiert wird. An Heilig Abend war es uns deshalb auch ein Anliegen in die Kirche zu gehen. Wir haben dort einen 3-stündigen (!) Gottesdienst gefeiert. Und es war wirklich eine Feier, denn neben einem Krippenspiel wurde zusammen das Abendmahl abgehalten und vor allem Geburtstag gefeiert. Der Geburtstag von niño Jesús. Es wurden Lieder gesungen, darunter auch Feliz cumpleaños (Zum Geburtstag viel Glück), eine Jesusfigur hochleben gelassen und getanzt. Es war deshalb schon ein etwas anderer Gottesdienst, als ich ihn kenne, zumal ich auch protestantisch bin. Und besonders interessant waren für mich, die bekannten Sachen, wie beispielsweise das Vater Unser, auf Spanisch zu hören.

Santo Toribio Weihnachtsessen

Weihnachten ist Zusammenkunft und Freude… Das ist wohl das wichtigste in Peru. Sowohl in Puente als auch Santo Toribio wurden Weihnachtsfeiern abgehalten. In Puente haben wir morgens zusammen ein Festmahl gegessen und dann gab es die verschiedensten Präsentationen der Kinder: Gedichte, Anspiele, Chorlieder, Flöten- und Gitarrenmusik, Tänze und keine Englisch – und Deutschdialoge. Und natürlich wurden zum Schluss die Geschenke ausgepackt und Kekse gegessen. Ich glaube, zu sehen, wie die Kinder sich über ihre Geschenke gefreut haben, war das schönste Geschenk für mich. Besonders da ein neuer Junge in Puente mir erzählt hat, dass es zum ersten Mal an Weihnachten ein richtig großes Geschenk auspacken darf. Die Augen der Kinder haben geleuchtet und sie haben uns alles gezeigt, was sie bekommen haben.

In Santo Toribio haben wir auch Weihnachten gefeiert. Los ging es in der Woche vor Weihnachten mit einem gemeinsamen Essen, dass wir gekocht haben. Jeden Tag wurde ein neues Stück der Weihanchtsgeschichte vorgelesen und bei der Chocolateja hat jeder Jahrgang ein Lied präsentiert. Die Chocolateja findet (jedenfalls bei Santo Toribio) zwei Tage vor Heilig Abend statt. Wir haben dort in unseren Klassen Süßes bekommen, heiße Schokolade getrunken und Panetón gegessen. Panetón ist ein süẞes Brot, geformt wie ein Kuchen, und es enthält Gileestückchen oder Rosinen. Er ist sehr typisch zu Weihnachten hier und wird auch oftmals an Heilig Abend verzehrt.

Von Santo Toribio sind wir zudem auch noch zu einem Mitarbeiter-Weihnachtsessen eingeladen worden, bei welchem es ein Mehrgänge-Menü gab und bei dem gewichtelt wurde. Lustigerweise hat Caro mich sowohl dort als auch bei unserem WG-Wichteln gezogen. Aber besonders schön waren die Gespräche, dass Zusammen Sein und Lachen und die unfassbare Gastfreundlichkeit, die man uns entgegen gebracht hat. Das war auf jeden Fall auch ein sehr schöner Vorweihnachtstag.

Marinera Auftritt

Und auch an Weihnachten selbst war Zusammenkunft ein wichtiges Thema, denn nachdem wir aus der Kirche gekommen waren, haben wir noch den Plaza de Armas von Trujillo besucht. Hier standen überall Weihnachtsbäume von verschiedenen Firmen und waren sehr unterschiedlich, aber prachtvoll und leuchtend geschmückt. Eigentlich wollten wir uns nur die Bäume nochmal bei Dunkelheit anschauen, aber zu unserer größten Überraschung waren dort überall Leute und der Platz sah aus wie ein Jahrmarkt. Die Leute haben miteinander geredet, gefeiert, es wurden Kleinigkeiten und Essen von Straßenhändler verkauft und Feuerwerksraketen gezündet. Denn in Peru wird auch an 24.12 um Mitternacht zusammen geböllert. Wir haben das sehr schön aus unserer Wohnung beobachten können.

Kulturelle Unterschiede? Auf den ersten Blick, dachte ich schon, dass Weihnachten sehr ähnlich gefeiert wird wie in Deutschland, nur dass das Klima ein anderes war und natürlich die Menschen nicht die waren mit denen ich normalerweise feiern würde. Aber wenn man genauer hinschaut und das Äußere weg lässt, dann fällt auf, dass Peru ein Aspekt hat der sich stärker heraushebt jedenfalls in meinen Augen: die Liebe für das Ihnen Wichtige. Die Liebe – für die Individualität (zum Beispiel bei der Dekoration), – den Glauben und – die Zusammenkunft. Weihnachten ist hier ein Fest für alle mit allen. Ich will nicht sagen, dass das in Deutschland nicht so ist, aber durch meine Arbeit und mein Leben hier ist ein mir noch mehr ins bewusst geworden. Ich habe für mich gelernt den Fokus deutlich darauf zu setzen.

Traditionelle Marineraröcke
Viele Grüße aus Peru,
Hasta pronto

Hella