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November – Ankunft in Puerto Varas

Die Anreise

Mit zwei Monaten Verspätung war es dann endlich soweit. Am 30.10.2022 machte ich mich gemeinsam mit Antonia und Laura, zwei weiteren Freiwilligen, auf den Weg ins weit entfernte Chile. Ursprünglich sollte unsere Ausreise schon am 03.09. stattfinden. Aber da die Bearbeitung unserer Visa-Anträge, aufgrund der Umstellung auf ein Online-Verfahren und einem Regierungswechsel, länger als gewöhnlich dauerte, mussten wir unsere Flüge verschieben. Als unsere Visa Mitte Oktober jedoch immer noch auf sich warten ließen, haben wir uns nach Absprache mit der Diakonie, den chilenischen Schulen und dem zuständigen Ministerium dazu entschlossen, vorläufig mit einem Touristenvisum nach Chile einzureisen und dann dort auf das Eintreffen unser Visa zu warten. Am Flughafen wartete dann eine unangenehme Überraschung auf uns. Da unsere Tickets für den Rückflug außerhalb der 90 Tage Frist, die man mit einem Touristenvisum im Land bleiben darf, lagen, konnten wir nicht einchecken. Um trotzdem unsere Reise antreten zu können, mussten wir dann am Flughafen noch schnell ein Busticket nach Argentinien buchen, um unsere Bordkarten zu erhalten. Dann ging es endlich los! Nachdem ich mich von meiner Familie verabschiedete, ging es durch die Sicherheitskontrolle und zum Flieger.

Verabschiedung in Frankfurt

Unser erstes Ziel war São Paulo. Dort kamen wir mit ca. zwei Stunden Verspätung an, da wir aufgrund eines Unwetters in Campinas zwischenlanden und nachtanken mussten. Von São Paulo aus ging es mit einem beeindruckenden Blick auf die Anden weiter nach Santiago de Chile. Nachdem die Einreise geglückt war, waren wir alle sehr erleichtert. Unser letzter Flug führte uns von Santiago nach Puerto Montt in den Süden Chiles. Unser Gepäck schafft diese Strecke jedoch nicht und blieb in Santiago. Am Flughafen wurde ich herzlich von meiner Gastfamilie, bestehend aus Richard, Patricia, Felipe (13 Jahre) und Andrea (5 Jahre), empfangen. Nach ungefähr 40 Minuten Fahrt nach und durch Puerto Varas und somit insgesamt mehr als 32 Stunden Reise kam ich endlich in meinem neuen zu Hause an. Ich war sehr erschöpft aber froh endlich angekommen zu sein. Nach einem kurzen Abendessen und einer Dusche ging es für mich dann sofort ins Bett.

Mein neues zu Hause

Das Haus liegt etwa 10 Kilometer außerhalb der Stadt in einer sehr ländlichen Gegend. Es ist ziemlich groß und bunt. Zu dem Haus gehört außerdem ein großer Garten der mit insgesamt acht Hunden gefüllt ist. Es gibt vier Deutsche Schäferhunde und vier Weiße Schweizer Schäferhunde. Hinzu kommen noch einige Hühner und zwei Pferde, die auf einer Koppel etwas außerhalb des Hauses stehen. Ich bin im Zimmer vom dritten Kind untergebracht. Er heißt Pancho ist 22 Jahre alt und studiert in Santiago, sodass das Zimmer frei ist. Andrea und Felipe besuchen beide die Deutsche Schule Puerto Varas, an der auch ich arbeiten werde. Richard und Patricia gehört die Firma “Aridos Geovial SPA” die Baumaschinen vermietet und Baumaterialien verkauft. Außerdem kam ich kurz vor der Eröffnung ihres neuen Geschäftes an, in dem sie unter anderem Natursteine und andere Deko-Artikel verkaufen werden. Besonders Patricia ist sehr viel am arbeiten, während Richard sich neben der Arbeit auch um das Haus, die Tiere und das Hin- und Herfahren der Kinder (und jetzt auch von mir) kümmert. Aufgrund der abgelegenen Lage des Hauses ist man darauf angewiesen.

Das Haus von außen

Die Schule

Am zweiten Tag nach meiner Ankunft ging es dann das erste Mal in die Schule. Die Deutsche Schule Puerto Varas wurde im Jahr 1857 von deutschen Einwanderern, die sich in der Region um den Lago Llanquihue niedergelassen hatten, gegründet. Mittlerweile hat sie etwa 800 Schüler und Schülerinnen und ist eine Privatschule, die sich nur die Gutverdiener Chiles leisten können. Nachdem ich herzlich von der Deutschfachschaft begrüßt wurde, ging es für mich auch sofort in die erste Deutschstunde. In den ersten Tagen habe ich mich erstmal auf das Zuschauen beschränkt, um die Schüler kennenzulernen und mir ein Bild vom chilenischen Unterricht zu machen.

Unterschiede zum deutschen Schulsystem und Unterricht, fallen mir trotz der vielen deutschen Wörter die mir auf den Gängen und in den Klassenräumen begegnen, sofort auf. Die Schule beinhaltet einen Kindergarten, die Grundschule und die weiterführende Schule alles in einem. Im Kindergarten gibt es, anders als in Deutschland, schon ersten Unterricht. Die Grundschule geht von der ersten bis zur vierten Klasse, die weiterführende von der fünften bis zur zwölften Klasse. Pro Jahrgangsstufe gibt es nur zwei Klassen. Für den Deutschunterricht werden diese jedoch in drei Gruppen gemäß dem Niveau der Schüler aufgeteilt. Auf die Sicherheit wird größerer Wert gelegt. Es gibt einen eigenen Sicherheitsdienst und während des Unterrichts sind die Tore der Schule geschlossen, sodass man sich beim Pförtner an- und abmelden muss um das Gelände der Schule zu verlassen. Den Schülern ist das natürlich nicht erlaubt. Der Unterricht geht täglich von 7:30 Uhr bis 14:25 Uhr. Es gibt immer zwei Stunden am Stück und anschließend 15 Minuten Pause. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland ist das Verhältnis zwischen den Lehrern und Schülern. Dieses ist viel freundschaftlicher und entspannter, als ich es gewohnt bin. Umarmungen oder Besuche von ehemaligen Schülern im Lehrerzimmer sind völlig normal. Unteranderem deswegen geht es auch im Unterricht häufig unruhiger und dadurch aber auch unkonzentrierter zu. Die Schüler haben mehr Freiheiten. Weitere Gründe dafür sind die Gelassenheit vieler Lehrer und die chilenische Mentalität, nach der der Spaß in der Schule im Vordergrund stehen sollte. Dafür, dass die Schüler immer etwas unruhiger sind, sind sie aber mit kreativen Aufgaben viel leichter zu erreichen, als es in Deutschland der Fall war. Bei der Gestaltung von Schülerzeitungen, dem Drehen von Videos oder dem Singen von Liedern sind sie mit viel Engagement dabei.

Nachdem ich eine Weile lang zusah, fing ich an die ersten Aufgaben zu übernehmen. So erstellte ich unter anderem Arbeitsblätter zu den Kindernachrichten “logo!” und einem deutschen Lied, übernahm administrative Aufgaben, begleitete die Lehrer in den Unterricht und sprach so viel Deutsch wie möglich mit den Schülern. Aufgrund einer krankheitsbedingten Lehrerknappheit übernahm ich sogar, mit der Unterstützung von chilenischen Lehrern die kein Deutsch konnten, mehrere Vertretungsstunden, in denen ich mit den Schülern ein Hör- und Leseverstehen durchführte. Für die erste Zeit werde ich in der weiterführenden Schule (fünfte bis zwölfte Klasse) eingesetzt. Ich kann mir aber für die Zukunft noch überlegen, ob ich in die Grundschule wechseln möchte.

Freizeit

In den ersten Tagen nach meiner Ankunft war ich aufgrund der Zeit Verschiebung und den vielen neuen Eindrücken so kaputt, dass ich nur auf dem Bett liegen konnte und probierte nicht einzuschlafen. So konnte ich das schöne Wetter in der ersten Woche leider überhaupt nicht ausnutzen. Am ersten Wochenende gab mir Nadine, die Chefin der Deutschfachschaft, mit ihrem Mann und ihrer Tochter eine Tour durch Puerto Varas. Sie zeigten mir das Zentrum, das Busterminal, was für zukünftige Reisen wichtig wird und die Ferias. Das sind kleine Märkte, auf denen man allerlei Lebensmittel und andere Gegenstände aus der Region kaufen kann. Es gibt sogar Vollkornbrot, was für Südamerika normalerweise ungewöhnlich ist. Durch solche Sachen wird der deutsche Einfluss in der Region sichtbar. Den bemerkt man auch ganz schnell, wenn man durch die Stadt geht. Es gibt einen Club Alemán, die Feuerwehrautos tragen die Aufschrift “Feuerwehr” und einige Restaurants und Häuser tragen deutsche Namen (zum Beispiel “Cafe Haussmann”). Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit Nadine und ihrer Familie ging es für mich dann weiter an den Río Petrohué. Dort unternahm ich mit Maria, einer Praktikantin aus Deutschland, die ebenfalls an der deutschen Schule arbeitet, eine Rafting Tour. Den Sonntag verbrachte ich dann wesentlich ruhiger. Ich schaute mit Richard und Felipe das Spiel von “Colo-Colo” dem größten und besten Fußballteam Chiles, spielte mit Andrea und den Hunden. An einem anderen Wochenende besuchten mich Laura und Antonia in Puerto Varas. Diesmal war ich damit dran eine Stadtführung zu geben. Eine Woche später kamen sie erneut und wir lernten alle zusammen Bettina Holzmann unsere Mentorin kennen. Den Tag darauf besuchte ich Laura und Antonia in Frutillar. Wir unternahmen eine Bootstour auf dem See, sie zeigten mir das wesentlich kleinere aber auch schöne Frutillar und wir aßen gemeinsam Kuchen. Die heißen in dieser Region Chile übrigens ebenfalls Kuchen bzw. “kuchenes”. Leider war ich innerhalb des ersten Monats auch zweimal über die Wochenenden krank, sodass ich weniger unternehmen konnte als ich eigentlich wollte. Zwischen den Wochenenden fuhr ich immer wieder in die Stadt und erkundete die vielen Läden und die Umgebung auf eigene Faust weiter. Außerdem absolvierte ich ein Probetraining beim Rudern auf dem See, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Das möchte ich auf jeden Fall beibehalten. In meiner vierten Woche in Chile habe ich sogar ein Fahrrad bekommen. Für die zehn Kilometer bis zum Stadtrand brauche ich zwar eine halbe Stunde, bin dafür aber etwas mobiler und unabhängiger.