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2. und 3. Monat in Bolivien

Mittlerweile haben wir bereits Anfang Dezember, was bedeutet, dass wir fast schon ein viertel Jahr in La Paz leben. 

Innerhalb dieser Zeit ist es hier viel wärmer geworden und in der starken Nachmittagssonne werden sogar knapp die 20 Grad überschritten. Allerdings wird eigentlich jeden Tag sehnsüchtig die Regenzeit erwartet, da die Natur sehr trocken ist und insbesondere die Bauern dringend Wasser für ihre Felder benötigen. Aufgrund der Trockenheit ist unter anderem die Kartoffelernte schlecht ausgefallen, weshalb diese zur Zeit nur sehr teuer auf den Märkten zu bekommen sind.  Hier in Südamerika gibt es übrigens um die 3500 verschiedenen Kartoffelsorten, während es in Deutschland nur etwas mehr als 200 Sorten gibt. 

Neben der Veränderung des Wetters hat sich auch unsere Wohnsituation geändert. Seit drei Wochen wohnen wir etwa zehn Minuten von unserer vorherigen Wohnung entfernt auf einem Hof, auf dem auch noch drei weitere Freiwillige wohnen. Hier haben wir eine größere Wohnung, die zudem auch viel wärmer ist. Wir haben sogar Daunendecken! Jetzt, nachdem wir viel Arbeit in diese Wohnung gesteckt und sehr viel geputzt haben, sind wir richtig froh hier wohnen zu können und unser kleines, gemütliches Reich zu haben. 

Apropos Gemütlichkeit, vor einer Woche haben wir zum ersten Mal hier Plätzchen gebacken. Dazu wurden wir und ein Paar andere Freiwillige von dem deutschen Pfarrer eingeladen. Die Plätzchen und Zimtschnecken wurden total lecker und läuteten für uns die Weihnachtszeit ein. Generell sind wir schon gespannt auf die Weihnachtszeit, insbesondere weil für uns nun die Weihnachtsfeiern beginnen. Diese werden dann bis Anfang Februar gehen, sodass wir ca zwei Monate Zeit haben werden, um zu reisen und so noch mehr von Bolivien und auch den Nachbarländern kennenzulernen. 

Pansitos

In der Schule hat sich unser Arbeitsalltag mittlerweile noch etwas mehr gefestigt, so haben wir zum Beispiel immer montags die Aufgabe Brötchen (Pansitos) zu backen. Dienstags und donnerstags sind wir weiterhin im Englischunterricht dabei, um zu helfen. Jeden Mittwoch sind wir in unseren Klassen dabei und freitags wechseln wir uns ab in eine Klasse zu gehen oder die Köchin zum Wocheneinkauf auf den Markt in El Alto zu begleiten. 

In der Schule findet jeden Freitag zu Beginn der Pause das Apthapi statt. Jedes Kind bringt etwas zu essen mit, das dann im Sitzkreis mit allen anderen aus der Klasse geteilt wird. 

Doch obwohl sich unser Schulalltag bereits ziemlich gefestigt hat, kann es passieren, dass der Schulweg zu einer richtigen Herausforderung wird. Eigentlich werden wir morgens von einem Schulbus abgeholt und in die Schule gebracht, doch kann es vorkommen das sogenannte Bloqueos, also von verschiedensten Gruppen der Zivilbevölkerung veranstaltete Straßenblockaden, dem Bus den Weg versperren und man sich so spontan einen anderen Weg in die Schule bahnen muss. Die Bloqueos haben meist ein politisches Motiv. So kommen beispielsweise die Minenarbeiter zusammen und fordern durch ihre Blockade bessere Arbeitsbedingungen. Diese Art des Protests ist hier sehr verbreitet, sodass man bei einem Spaziergang durch die Stadt mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Bloqueo oder zumindest den Geräuschen ihrer Knallkörper begegnet. 

Auch sogenannte Entradas, also Karnevals ähnliche Straßenumzüge in verschiedensten Größen, bei denen in bunten Kostümen zu lauter Musik traditionelle Tänze präsentiert werden, ziehen sich durch die Straßen von La Paz. Auch sie können dafür sorgen, dass die Straßen blockiert und ein vorankommen erschwert wird, doch ist es stets beeindruckend und faszinierend ihnen zuzusehen.

Tocaña

Mitte Oktober lud uns die fünfte und sechste Klasse dazu ein, sie bei ihrer Klassenfahrt in den subtropischen Yungas zu begleiten. Darüber haben wir uns sehr gefreut und sind so, kurze Zeit später, für drei Tage mit ihnen in das afrobolivianische Dorf namens Tocaña gereist. 

Wir spielten Fußball, machten kleine Wanderungen, gingen sogar in einem kleinen Fluss schwimmen und haben jeden Tag gemeinsam gekocht. 

Altar mit Früchten, Brot, Zwiebeln, Cocablättern, Blumen und gepopptem Mais

Eine Freundin von uns aus Deutschland, die zur Zeit hier durch Südamerika reist, besuchte uns dann Anfang November für eine Woche. Da sie auch über Todos Santos hier war, den Tag der Toten, schauten wir uns unter anderem zusammen die Festlichkeiten und Zeremonien auf dem großen Zentralfriedhof an. An diesem Tag bauen die Familien für ihre verstorbenen Angehörigen Altare auf, auf denen dann Essen und andere Gaben hergerichtet werden. Jeder der möchte kann dann für die Verstorbenen beten und bekommt daraufhin etwas des Essens ab. 

Am Sonntag, dem 13.11.22 fand der deutsche Volkstrauertag statt. Zu diesem Anlass gingen wir zu einer Gedenkfeier auf den deutschen Friedhof hier in La Paz und anschließend noch auf den jüdischen Friedhof. Wir gedachten besonders den in den Weltkriegen verstorbenen Juden, Soldaten und Zivilisten, aber auch den Opfern des russischen Angriffskriegs. In den auf deutsch gehaltenen Reden ging es zudem um die äußerste Wichtigkeit der Friedenserhaltung durch Handlungen und persönlicher Stellungnahme im Privatleben, sowie im größeren und öffentlicherem Rahmen. 

Die Besichtigung der beiden Friedhöfe war ebenfalls sehr interessant. Obwohl Gräber in Bolivien stets oberhalb der Erde in hellen Grabhäusern organisiert sind, befanden sich die Gräber auf dem deutschen Friedhof, wie es in Deutschland üblich ist, unter der Erde. Jedes Grab war mühevoll gepflegt, egal wie alt es schon war, doch der Gedanke, dass in dieser Idylle unteranderem Nazis direkt neben den vor dem Krieg geflohenen Kriegsgegnern ihre letzte Ruhe finden, kam uns skurril vor. 

Der jüdische Friedhof warf auf beeindruckende Weise die Frage der Identität auf. Denn die auf den Grabsteinen gewählte Sprache unterschied sich. Auf vielen Steinen wurde  deutsch, spanisch und hebräisch kombiniert, auf anderen wurde vor allem auf deutsch verzichtet. Uns wurde berichtet, dass viele deutsch-jüdische Familien nach ihrer Flucht aus Deutschland, in Bolivien angekommen, deutsch aus ihrem Altag verbannten. Denn wie soll man sich auch mit einer Sprache, einem Land identifizieren, aus dem man auf so inhumane, grauenvolle Weise vertrieben wurde? Gleichzeitig liegen in genau diesem Land auch ihre Wurzeln, Familie und Vergangenheit. 

Diesen Vormittag in Gedenken an die vielen Opfer von Gewalt zu verbringen war eindrucksvoll und auch einen kleinen Einblick in die hier entstandene deutsche Community zu bekommen war sehr interessant. 

Letztes Wochenende reisten wir zusammen mit unserer Freundin Hannah zur Isla del Sol. Dreieinhalb Stunden brauchten wir bis an die Copacabana am Titicaca-See, von wo aus wir dann mit einem kleinen Boot zur Insel übersetzen konnten. Als wir ankamen war es fast dunkel, dennoch liefen wir noch etwas durch das Dorf Yumani. Zufällig trafen wir auf unserem Spaziergang weitere Freiwillige, die wir bereits kannten und mit denen wir uns dann für den nächsten Tag verabredeten, um gemeinsam eine Wanderung in den Norden der Insel zu machen. Am nächsten Tag gingen wir also, nach unserem Frühstück mit leckerem Bananenmilchshake, gemeinsam los. Relativ schnell kamen wir jedoch vom Weg ab und wir bahnten uns selbst einen Weg. Dieser führte uns vorbei an Feldern, auf denen die Landwirtschaft nur per Hand geleistet wird, vorbei an Weiden mit Eseln und Schafen und entlang kleiner Strände. Den ganzen Weg begleitete uns ein süßer Hund den wir „Carlos” nannten, bis wir ihn leider im Ort Challapampa zurücklassen mussten, da wir von dort ein Boot zurück nehmen mussten, um noch rechtzeitig das Boot zu bekommen, welches uns dann wieder zur Copacabana bringen sollte. Es war wunderschön auf der Insel und wir wollen auf jeden Fall nochmals dort hin reisen.

Mit diesen vielen Eindrücken und Erlebnissen ist unsere Zeit hier bisher relativ schnell vergangen und wir freuen uns bereits auf unsere anstehende Reise im Dezember und Januar.