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02.08.- 15.08.2022

Das erste Mal Peru

Liebe auf den ersten, zweiten Blick

Vier Jugendliche. Ein Land. Zwei Arbeitsstellen und viele neue Gewohnheiten…

Startpunkt: Frankfurt, 02.08.2022 Uhrzeit: 19:25 Uhr

Gestartet wird in Frankfurt am 02.08.2022. Der Tag, welcher immer so weit in der Zukunft liegt, man nie richtig wahrnimmt, wird real. Und doch zweifelt man immer noch an dem Erleben, weil so ganz real ist es irgendwie dann doch nicht. (Das Gefühl hat sich übrigens auch nach Tagen nicht geändert). 

Die Fahrt nach Frankfurt wird von einem diffusen, nicht greifbaren Gefühl begleitet. Hin und her gerissen von Empfindungen wie Ungläubigkeit, Freude, Erwarten zusammen mit dem Gefühl der Traurigkeit. Doch jenseits von diesem inneren stürmischen Gefühlsstrom genieße ich die Fahrt sehr, welche ich damit verbringe, drei Stunden mit meiner Schwester Amelie über wirklich alles zu quatschen. Dazu werde ich gemäß unserem Schwester-Kodex und auch zu unserem Schutz (die Leute sollen nicht erfahren wie crazy wir manchmal drauf sind!) aber nichts Weiteres erzählen ;).

Ich bin die Letzte von uns dreien, die am Check-in ankommt. Eigentlich geht man davon aus, dass ein so großer Flughafen, wie es in Frankfurt der Fall ist, genügend Parkplätze hat beziehungsweise es nicht so schwer sein sollte einen zu finden. Leider ist dem nicht so, wir müssen ein paar Mal in das Parkhaus fahren, um endlich einen Platz zu finden, also plant auch Zeit dafür ein, zu mindestens in Frankfurt ;).

Meine größte Sorge besteht darin, dass mein Koffer zu schwer ist und dass obwohl ich zu Hause schon mehrmals Kleidungsstücke wieder herausgenommen habe (Ich vermisse meine Sachen immer noch, aber dafür kann Amelie sie tragen. Ich weiß, dass sie sich ins geheim über die Begrenzung des Gewichtes freut ;)). Ich weiß nicht warum, aber irgendwie zeigt die Wage am Check-in an, dass unsere Koffer 60 kg wiegen, wie sie darauf kommen verstehe ich bis heute nicht. Aber die Frau am Schalter lässt uns gewähren und nicht zum ersten Mal kommt in mir das Gefühl des Bereuens auf. Denn auch in Lima wird Hellas Koffer trotz Übergewicht passiert. Ich hätte meine Kleidungsstücke doch behalten können…

Die Flüge verlaufen alle zum Glück gut, ganz witzig ist auch, dass wir oft mit denselben Menschen geflogen sind und wir uns immer gefragt haben, was sie  in Peru machen werden. Dann erfolgt der 14-stündige (für mich unendliche) Aufenthalt in Lima, ich weiß nicht wie wir die Zeit herumbekommen, da wir immer an derselben Stelle dahinvegetieren. Ich glaube so intensiv habe ich mir noch nie die Außenanlage eines Flughafens angesehen :). Und dann (ENDLICH) steigen wir in den letzten Flug ein, den wir aber gefühlt alle verschlafen und kommen in Trujillo an: Die Stadt, die unser neues zu Hause sein wird…

Ankommen in eine andere Lebenswelt

Kälte. Verlassener Müll. Ein veränderter Verkehr, der seine eigenen Regeln befolgt. So empfängt mich Trujillo. Anders als seine gewohnte Umgebung, aber genau das macht es so spannend. Und trotz der oberflächlich gesehen gewöhnungsbedürftigen Umstände, hat Trujillo einen gewissen Charme. Einen Charme, den man nicht beschreiben kann, er legt sich auf die Stadt und heißt uns alle vier Freiwilligen willkommen. Während der Autofahrt, vom Flughafen zur Unterkunft, können die Eindrücke gar nicht aufhören. Obwohl man so müde ist von den Flügen, schaue ich so gespannt auf meine Umgebung. Das ist der Ort, an dem ich ein Jahr leben werde. Das Gefühl des Surrealen wird geweckt, je weiter man den Flughafen hinter sich lässt. Ein Paradox, denn man ist vor Ort, dennoch kann man das gar nicht glauben. Passiert das jetzt wirklich? War ich nicht gerade in den Herbstferien und bewerbe mich für verschiedene Organisationen für meinen Dienst im Ausland? 

Eltern, Freunde, eine gewohnte Routine. Das alles wird für ein Jahr gegen das (noch) Fremde, Ungewohnte und einer völlig neuen Routine getauscht. Vorher – Peru ein abstrakter Begriff, welcher einfach in seinem Wortschatz beiläufig verwendet wird, doch schon jetzt, nach ein paar Tagen, gewinnt dieser Begriff an Bedeutung. Durch bisher gemachte Erfahrungen werden diesem Begriff schon einige Menschen, gegessene Gerichte sowie konkrete Bilder zugeordnet.

Huanchaco – der Ort, an dem wir unsere Surfingkünste testen werden

(es ist noch Winter hier, obwohl Shawn am liebsten schon jetzt surfen möchte. Wie lange wir ihn noch bremsen können…?)

Es ist der Tag nach der Ankunft und wir sehen das Herz von Trujillo, der Strand mit dem Meer in Huanchaco. Ungefähr 15 Minuten von Milagro (das ist der Ort, wo wir in Trujillo wohnen) entfernt und schon sehen wir die Wellen, wie sie am Ufer aufschlagen. Ungeachtet dessen strahlt der Strand noch eine gewisse Ruhe aus, nur vereinzelt sieht man Menschen spazieren und Surfer, welche jedoch noch eher am Ufer als im Wasser sind. Warum sie alle schon ihre Ausrüstung anhaben, weiß ich auch nicht.

Unsere kleine deutsche Bubble

Ganz herzlich haben uns Lisa und Jürgen Rauber empfangen, beide kommen wie wir aus Deutschland. Sie haben Puente möglich gemacht und das Projekt vor 15 Jahren gegründet. Dann werden wir einem Crashkurs zu einigen Do´s und Don´ts unterzogen: Worauf müssen wir aufpassen? Was dürfen wir auf keinen Fall essen? Hier ist es der Salat, der einem Schwierigkeiten bereitet (für einen Salatliebling wie mich eine große Schwierigkeit!:)) Ferner werden uns interessante Ereignisse von Puentes Geschichte erzählt.  Die Raubers sind es auch, die uns den Einstieg hier in Peru erleichtert haben (Danke dafür :)). Jegliche Fragen können wir mit ihnen klären.

Den Tag verbringen wir noch mit Fiorella, eine ehemalige Schülerin in Puente, welche uns in den nächsten Tagen Trujillo zeigt.  Plaza de Armas, Moche, El Mercado Central. Jeweils stellvertretend für den peruanischen architektonischen Stil, Perus älteste Kulturen und

zuletzt (nicht zu vergessen) die regionalen Produkte. Auf diese Weise wird uns schon in der ersten Woche ein umfangreicher Eindruck gegeben, so dass Liebe auf den ersten, zweiten Blick in Peru uns allen seehr leichtfiel.

Und danke an Fiorellas Bruder Diego, welcher auf magische Weise unsere Sim-Karten zum Funktionieren brachte. Wer denkt, dass es damit getan ist, einfach eine Neue in das Handy hineinzulegen, täuscht sich…

Der Esprit von Peru

Bei meiner Ankunft kann man die prekären Umstände nur erahnen, doch schon als erstes Licht in mein Zimmer fällt, stehe ich auf und schaue mir die Umgebung richtig an. Etwas was man aus Filmen kennt oder vielleicht auch aus dem Unterricht liegt vor meinen Augen. Kleine Unterkünfte zusammengebaut aus verschiedensten Materialien, streuende Hunde, von Müll bedeckte Straßen.  Sind das vielleicht eher negativ behaftete Eindrücke, MUSS man hier erwähnen, dass trotz der differierenden Umstände, eine zwar andere, aber dennoch funktionierende Struktur vorherrscht:

Kein ÖPNV, dafür Autobusse, die jeden von A nach B bringen. Kein Wochenende, dafür aber ist der Montag frei. Kein richtiger Winter, dafür aber die dicksten Jacken (ich frage mich, was die Peruaner machen, wenn sie zu uns nach Deutschland kommen würden, sie würden erfrieren! 😉 Aber zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass die peruanische Temperatur von 18 Grad nicht der Deutschen entspricht!).

Natürlich sollten die Menschen in Peru in diesem Kontext des Esprits nicht unerwähnt bleiben. Sie sind es, welche das Land verkörpern und in gewisser Weise den Esprit, das Wesen von Peru bilden. Denn jene Menschen, die ich bisher kennengelernte, sind so freundlich, aufmerksam und gehen mit einem unfassbaren Verständnis, einer außergewöhnlichen Offenheit auf die Leute zu. Um dies noch näher zu präzisieren, bietet folgende Situation ein gutes Bild: Schauplatz ist der rotfarbige Bus nach Huanchaco. (Die Busfahrten sind übrigens nochmal ein Fall für sich. Dadurch dass ich keine Möglichkeit hatte, vor meinem Peru-Jahr nochmal in den Freizeitpark zu gehen, kann ich diesen in kleinem Rahmen hier finden. Die Fahrten fühlen sich teilweise genauso an, aber ich lieb´s irgendwie! (Übrigens wenn man einen Crush hat und man sich mag, aber zu schüchtern ist den ersten Schritt zu wagen, sollte man in den Bus steigen. Der Körperkontakt wird fahrtbedingt kommen!;))

Aber zurück zu der vorhin erwähnten beispielhaften Situation. Ein älterer Mann steigt ein und SOFORT ist jemand aufgestanden und hat ihm Platz gemacht. Und dies ereignet sich schon mehrmals. Man erkennt einfach diese außergewöhnliche Freundlichkeit gepaart mit einer Selbstverständlichkeit, welche beeindruckend ist.

Puente – der Ort, der Leben verändert und welcher einer der deutschesten Lieder überhaupt hervorbringt

Schon unzählige Male betrat ich diesen Ort, welcher sich unter unserer Wohnung befindet. Ein Ort, an dem Träume wahr werden können und Kindern sowie Jugendlichen die Chance gegeben wird, ein individuell erfülltes, selbstständiges mit Werten geprägtes Leben zu führen. Puente startet jeden Samstag um 8:30 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück.

Ich sitze an einem Tisch mit sieben Mädchen, welche mich sehr nett in ihre Gruppe integrieren. Natürlich müssen wir hier erstmal ein Check-Up machen: Von unseren kulturellen Hintergründen über Filmen zu unseren (attraktivsten) Lieblingsmusikern. Wie man unschwer erkennen kann, von eher tiefgründigen Themen zu den trivialsten, banalsten Themen, die jedoch nicht weniger wichtig sind.  Und wer, wenn nicht Harry Styles brachte uns alle zum Schmunzeln. Wir alle finden ihn mit am süßesten aus OneDirection. Übereinstimmung finden wir alle auch bei Leonardo DiCaprio: Sorry Leo, aber wir finden dich (nur) in deinen jungen Jahren megaa hübsch ;).

Die Kinder werden hier in verschiedenen Bereichen gefördert: auf musikalischer, körperlicher sowie kognitiver Ebene. Oben auf der Terrasse findet der Karateunterricht statt, bei dem alle Kinder begeistert und mit vollem Eifer teilnehmen.

Wolfgang Wackerbauer, ein leidenschaftlicher Flötenlehrer, fördert die musikalische Ader von den Kindern. Er ist es übrigens auch, der uns auf seiner Flöte Bi-ba-butzemann auf einmal spielt. Da muss man einmal (gefühlt) um den halben Globus reisen, um hier in Peru ein uraltes deutsches Lied zu hören. Das brachte uns Freiwillige ALLE zum Lachen.

Der Unterricht ist beim ersten Mal schon etwas schwer gewesen, da wir ins kalte Wasser geschmissen wurden. Jede von uns hat erstmal den Wissenstand bei den Kindern im Englischen getestet. Doch schon das zweite Mal gelingt der Unterricht besser :).

Ich bringe kleinen Kindern im Alter von fünf bis sieben Jahren Englisch bei. Und eins darf hier NIE fehlen: das Malen. Darauf gehen die Kinder hier richtig ab, aber wer auch nicht? Es ist so schön zu sehen, wie wissbegierig und neugierig die Kinder einem folgen und es macht ungemein Spaß mit ihnen zu arbeiten. Für meinen Unterricht benutze ich eine Puppe (Lucía) als Sprachassistenz, welche leider eher die Aufmerksamkeit meiner Schüler auf sich zieht als ich! Daran muss ich wohl noch arbeiten, mir nicht die Schau stehen zu lassen. Es freut mich aber so sehr zu sehen, wie die Kinder Spaß an dem Unterricht haben und alle mit dabei sind.

Caros vorgefeierter Geburtstag bringt einen Fluch mit sich…

In Peru erleben wir hautnah alle zum ersten Mal das negative Karma, welches daraus folgt, wenn man Geburtstage vorfeiert. Am Samstag, den 13.08. wird der Geburtstag von Caro gefeiert, obwohl dieser erst ein Tag später ist. Denn genau an diesem Tag funktioniert das Wasser nicht! Ich von meiner Seite aus muss mir meine Haare (LANGE Haare!) im Waschbecken waschen, eine schmerzhafte Erfahrung.

weiter kamen wir nicht 😉

Am Montag, den 15.08. wollen wir alle Chan Chan besuchen, welche eine alte archäologische Zone darstellt. Zwar sind wir alle froh, dass wir dort gut angekommen sind (kleiner Verweis auf die Busfahrten :)), aber aus unserem Plan wird leider nichts.  Eigentlich kann man es schon erahnen, denn der Busfahrer schaut uns mit einem verwirrenden Blick an, als wir bei Chan Chan aussteigen. Dann laufen wir schon halb auf Chan Chan zu dem Eingang, wo uns dann ein Taxifahrer erklärt, dass dies geschlossen sei. Was kann ich nur sagen: Das Karma regiert den Tag!

Auch ein vom Bus aus gesehen schöner Park, welchen wir dann folglich besuchen, entpuppt sich letztlich als ein Friedhof, na ja etwas Pech schadet nie… Aber zum Glück fällt mein als auch Hellas Geburtstag auf einen Samstag, einzig bei Shawn müssen wir uns wieder ein paar Gedanken machen…

Erster Rückblick

Schaue ich so auf meine ersten Erfahrungen in Peru, kann ich sagen, dass ich genau da bin, wo ich sein möchte. Klar vermisse ich meine Bubble in Deutschland, dennoch bin ich ganz gespannt, mich hier richtig einzuleben, Routinen zu erstellen, aber auch immer wieder neue, spontane Sachen zu durchleben. Nicht nur das Land Peru, sondern auch die verschiedenen Bräuche, die Menschen finde ich überaus toll und interessant. Ok, vielleicht muss ich mich noch daran gewöhnen, Fleisch mit Kartoffeln zum Frühstück zu essen (was hier manchmal vorkommt) und, dass der Verkehr ein einziges Chaos ist, den aber die Peruaner hier durchblicken, aber man wird langsam mit allem warm und fremde Sachen werden immer mehr zu neuen Gewohnheiten. Mir gefallen die Eindrücke, die ich hier wahrnehme und ich hoffe, ich konnte euch diese weitervermitteln.

¡¡Hasta luego!!

Eure Isabell

PS: Bleibt Teil dieser unvergesslichen Reise, die sich hoffentlich bald mehr realer anfüllt 😉